Der Armenische Winter-Jugendtreff 2023 – Exposé von Inga Movsisyan
Datum: 15. – 18.12.2023
Ort: Jugendherberge Lauenburg
Es ist schon eine Weil her, dass ich in Armenien war – genauer gesagt war es im Sommer 2022. Ich ging mit gemischten Gefühlen nach Yerevan und kam mit noch gemischteren Gefühlen wieder. Denn ich hatte die Hoffnung „nach Hause zu gehen“, in Yerevan das zu empfinden, was man nun mal empfindet, wenn man einen Platz für sich gefunden hat. Es kam vieles anders als ich es mir vorgestellt hatte. Es war nicht zu Hause, geschweige denn Heimat und sich das einzugestehen tat irgendwie weh. Rückblickend befähigte mich die Erfahrung aber, mir das Gefühl, das ich so gern dort gefunden hätte, in meinem jetzigen Zuhause in Koblenz selbst zu schaffen, mehr von meinen armenischen Wurzeln zu erfahren, sie in meinen Texten einzubauen und Elemente und Symbole, die ich mit Armenien verbinde, um mich aufzustellen. Armenisch und deutsch müssen nicht im Widerspruch zueinander stehen – sie können nicht nur koexistieren, sie können einander auch bereichern.
Nach dem Sommer ging die Suche nach einem Heimats-Gefühl aber eben auch wie gewohnt weiter. Mit dem feinen Unterschied, dass ich ARI entdeckte. Mit meiner Cousine meldete ich mich dieses Jahr endlich zum Winter-Jugendtreff an – das Programm klang mindestens genauso vielversprechend wie die Tatsache, Menschen zu treffen, die in derselben Situation sind bzw. vielleicht ja auch nach der Suche nach diesem bestimmten Gefühl sind.
Wir trafen bereits im Zug eine andere Armenierin – verrückt, wie man sich in jeder Menge immer erkennt. Die Jugendherberge war in Lauenburg, ein kleiner Ort im Norden. Unsere Zimmergenossinnen lernten wir schnell kennen, gingen gemeinsam zum Abendessen und trafen dann alle anderen im Stuhlkreis zur Vorstellungsrunde. Ganz ehrlich, 90 Namen hab ich mir nicht direkt gemerkt, aber dafür ein paar Fun Facts über die Personen. Die Zeit verging zwischen Kennenlernspielen und schönen Gesprächen. Am nächsten Tag knüpften wir genau daran an, es ging nach dem Frühstück direkt los mit den Programmpunkten: „Traditionelle Armenische Geschlechterrollen“ sorgte für Diskussionen – natürlich. Werte und Perspektiven unterscheiden sich von Person zu Person immer. Weiter ging es mit der Geschichte zu Arzach und ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich keine Tränen in den Augen hatte beim Kapitel über das Schicksal einer Familie, die im Rahmen des jüngsten Genozids der Aserbaidschaner ihr Zuhause verlassen musste. Cut. Networking – Business- Talks, wer macht was, wer will wohin, wer hat in welchem Bereich Erfahrungen? Ganz zwischendurch lerne ich die beste Freundin des Bruders eines Arbeitskollegen kennen. Die Welt ist klein!
Das Spektakel an dem Abend: Die Black and Red Party. Gestriegelt und poliert, aber alle in der Farbkombi, für die wir abgestimmt hatten, ließen wir es krachen, zu armenischer Musik mit passenden Tänzen und Chart-Klassikern. Bis morgens haben wir das Tanzbein geschwungen, viele skippten das Frühstück – oder spielten bis dahin Mafia(Gesellschaftsspiel, ähnlich wie Werwolf), tanzten weiter oder gönnten sich zwei Stunden Schlaf.
Der Sonntagmorgen fing mit der Vorstellung des Youth Ambassador Programm an – wer nach Armenien zum Arbeiten möchte, hat jetzt die richtigen Kontakte. Die ezidische Gemeinde war zu Besuch und hat über Eziden im Kaukasus berichtet – so spannend, dass die Fragen aus dem armenischen Publikum fast garnicht mehr aufgehört haben! Zwischen den Programmpunkten gingen wir spazieren, neben der Herberge war direkt die Elbe und bot eine schöne Promenade. Dabei entstanden schöne Fotos, die den 2023 Recap auf Instagram nun gut abrunden dürften. Say cheeeeeese.
Passend zur Vorstellung des Kochbuchs YEREVAN, gab es zum Abendessen leckeres Khorovats (BBQ). Anschließend ging es für alle in den großen Saal, denn Armenier:innen sind talentiert, weshalb es dort die von ARI organisierte Talentshow gab. Es wurde gesungen, getanzt, vorgelesen – wie viel Talent hat sich bitte unter den 90 Teilnehmer:innen versteckt?!
Den letzten Abend wollte natürlich niemand mit Schlafen verbringen. Also saßen wir in Gruppen zusammen, jeder fand seinen Platz – Mafia, Snacks und gute Talks oder doch weiter Duduk und Tanzen? Alles dabei, eins schöner und geselliger als das andere.
Ein Stück Heimat im hohen Norden. DANKE ARI. Die WhatsApp-Gruppe lebt nach wie vor von schönen Erinnerungen unserer gemeinsamen Zeit. Bis bald!