Der Armenische Online-Sommer-Jugendtreff 2021 vom 21.05 bis 23.05.2021 – Abschlussbericht von Lilith Garanian
Es klingelt an der Tür. Der Postbote übergibt mit ein Paket, aus dem mir ein fremder und doch bekannter Geruch in die Nase steigt. Ich öffne das Paket und mit einem Lächeln im Gesicht beginnt für mich damit der erste digitale armenische Sommer-Jugendtreff 2021.
In dem Überraschungspaket befinden sich allerlei Produkte, die laut Angaben der Organisatoren im Laufe des Wochenendes nützlich sein könnten. Ein Willkommensbrief, ein Notizblock, Stifte, Seifenblasen, Popcorn, eine Flasche Wein, und viele weitere Goodies. Doch das Beste in diesem Paket sind die Produkte, die einem das Herz höher schlagen lassen: Kaffee, Chips und Schokolade aus Armenien, sowie das dominant riechende und allseits bekannte Papier d´Arménie.
Das Wochenende vom 21.05. bis zum 23.05. startete mit einem Kennenlern- und Spieleabend. Jeder hatte die Möglichkeit, sich vorzustellen und die elementare Frage unserer Zeitgeschichte zu beantworten: Hanuta oder Knoppers. Nachdem Knoppers eindeutig den Sieg davontragen konnte, wurden wir in kleinere Gruppen aufgeteilt, um mit ein paar Spielen die Stimmung etwas aufzulockern und sich besser kennenzulernen.
Der nächste Tag begann mit einer sehr interessanten Liveschaltung nach Armenien. Die Journalistin Sona Margaryan, Dokumentarfilmproduzentin Angela Frangyan und Fotograf Areg Balayan erzählten uns von ihren Erfahrungen während des Krieges in Arzakh. Areg, dessen Fotos während des Krieges rund um die Welt gingen, erzählte uns, wie unvorbereitet und schutzlos er und seine Kollegen sich in der Situation gefühlt haben. Auch Sona und Angela wussten bis zu ihrer Ankunft in das Krisengebiet nicht, was sie erwarten würde. Traumatisiert von den Geschehnissen und den Dingen die sie gesehen haben, erzählten sie aus ihren Perspektiven. Allerdings sieht man in den Bildern von Areg nicht nur Zerstörung und Tod, sondern auch Szenen der Menschlichkeit. Kinder, die ihr Lachen trotz allem nicht verlieren und Ruinen, denen das Sonnenlicht neues Leben einhaucht. Die drei schilderten uns zudem, was wir als Diaspora tun können, aber auch was wir besser anders machen sollten, um produktiv und effektiv helfen zu können. Networking ist dabei eines der wichtigsten Schlagwörter gewesen.
Samstagabend durften wir einiges zum Thema Geschäftsaufbau in Armenien lernen. Hasni Kosejan, Meri Navasardyan und Daniel Zurfluh erzählten uns von den Möglichkeiten, Hindernissen, Tipps und Erfahrungen zu diesem Thema. Hasni Kosejan, CEO von Berlin Optic in Armenien erzählte aus dem Nähkästchen, was die Voraussetzungen einer Geschäftsgründung sind, welche Chancen er in einem solchen Riesenprojekt gesehen hat, und mit welchen Problemen er zu kämpfen hatte. Er sieht in Armenien noch viel Potenzial und ist froh, dass seine Nachfolger es schon etwas leichter haben werden als er selbst, da es mittlerweile den deutschen Wirtschaftsverband in Armenien gibt. Keine Frage war den Referenten zu indiskret und so wurden viele interessante Fragen beantwortet.
Fast nahtlos ging es dann zum letzten Programmpunkt des Abends über: Die Jugendtreff-Party. Mit passenden Filtern und Hintergründen konnte DJ Albi die Party einleiten. Wer den Wein aus dem Überraschungspaket noch nicht geöffnet hatte, hatte jetzt die perfekte Gelegenheit dazu. Fast kein Genre wurde verschont: Von armenischen Hits bis hin zu modernen Chart-Hits war alles dabei. Sogar alte 90er Lieder wie „Macarena“ mussten herhalten. Wer den digitalen Flashmob verpasst hat, ist selbst schuld. Im Anschluss gab es noch ein paar Online-Runden Montagsmaler. Dabei waren natürlich auch einige Armo-Wörter dabei. Wäre ja sonst langweilig.
Am nächsten Tag durften die Teilnehmenden aktiv werden. Der Workshop mit dem Titel „Geschlechterrollen in der armenischen Community“ hatte zum Ziel, einen Austausch zu ermöglichen. Diverse Themen wurden angesprochen, die oft auch zu Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Community führen können. Nach einem kurzen Vortrag über die Themen, wurden die Teilnehmenden in kleinere Gruppen aufgeteilt und bekamen ein bestimmtes Thema zugewiesen. Interessant dabei war vor allem in meiner Gruppe der Versuch einer Lösungsfindung. Manchmal kann man mit kleinen Schritten schon vieles besser machen, manche Ansichten sind allerdings so tief in der Kultur verankert, dass sie schwerer zu verändern sind. Am Ende kamen alle Gruppen wieder zusammen und alle Teilnehmenden des Workshops wurden durch ein Briefing auf den gleichen Stand gebracht.
Samstagabend war es dann endlich Zeit für das Popcorn. Denn zum Abschluss eines ereignisreichen Tages gab es einen Filmabend. Die erfolgreiche Künstlerin und Filmemacherin Silvina Der-Meguerditchian stellte uns ihren Film „The Wishing Tree“ vor. Es geht um die Stadt Dilijan, die nach dem Zerfall der Sowjetunion und der Schließung einiger Fabriken vor neuen Herausforderungen stand. Der Film thematisiert auch die Bemühungen, die Stadt wieder zu ihrem alten Glanz zu verhelfen. Die Künstlerin erzählte uns von ihrer Geschichte und wie das Leben die Armenierin aus Argentinien nach Deutschland führte. Sie schwärmte von der Berliner Kunstszene sowie den Kolleg*innen in Amerika, und gewährte uns Einblick in ihre Erfahrungen bei der Filmproduktion und in ihre Kunstausstellungen.
Zum Abschluss des Jugendtreffs gab es Sonntagabend ein Spendenkonzert in Zusammenarbeit mit ARI e.V. mit dem Titel: „Miasin für Arzach“. Bevor das Konzert begann, stellten sich die Mitglieder des „Miasin“- Projekts Anni, Sascha und Goga vor, und erzählten den Anwesenden ein wenig über ihre Geschichte, Wünsche und Spendenmöglichkeiten. Hierbei zeigte sich, wie positiv das Netzwerk zwischen Deutschland, Armenien und Arzakh genutzt wurde. Aufgrund der stets unterbrechenden Internetverbindung zu Arzakh haben alle Beteiligten beschlossen, dass das Abspielen von vorab aufgezeichneten Darbietungen die beste Lösung darstellt.
Das offen zugängliche musikalische Special wurde durch verschiedene Musiker*innen aus Arzakh gestaltet. Zunächst durften wir den klassischen Klängen von fünf Talenten lauschen. Viele dieser ausgebildeten Künstler*innen sind Mitglieder verschiedener erfolgreicher Ensembles. Goga, ein Musiklehrer aus Arzakh und Mitglied des „Miasin“-Teams, gründete dieses Jahr eine Band mit fünf jungen Talenten aus Stepanakert, die „Kings Band“. Ganz bescheiden ist es das Ziel der Band, die Menschen in Arzakh trotz der schweren Folgen des Krieges im letzten Jahr wieder etwas positiver zu stimmen und die Kinder dort mit der Musik und der Kultur zu verbinden. Damit wollen sie auch die Unsterblichkeit der Musik hervorheben. Die Band zeigte uns als Einheit, wie überzeugt sie von ihrer neuen Aufgabe sind, und wie tief Worte berühren können. Vor allem aufgrund der schlimmen Ereignisse 2020, rührten Levon und Marat im nächsten Video viele mit ihrem Gesang und der Titelwahl zu Tränen.
Bevor wir die Talente der Musikgruppe Voices of Arzakh bestaunen durften, hatten wir die Möglichkeit eines der Mitglieder der Gruppe kennenzulernen. Live zugeschaltet beantwortete uns Vadim einige Fragen und erzählte uns ein wenig über bereits erreichte Erfolge. Das 2004 gegründete Projekt ist in seiner Art einzigartig und erfolgreich, und ist überall auf der Welt unterwegs. In den Kommentaren war während des ganzen Konzerts herauszulesen, wie begeistert und gerührt die Zuschauer*innen waren. Mit diesem Spendenkonzert endete leider auch schon der Sommer-Jugendtreff 2021.
Im Namen aller Teilnehmenden sage ich DANKE an das ARI-Team für das schöne Wochenende. Danke für das Paket, von dessen Inhalt wir sicher noch länger zehren werden und wir sagen auch danke an alle Referent*innen, die sich die Zeit für uns genommen haben. Wir hoffen alle, dass das Wochenende bald wieder in persona stattfinden kann, denn seien wir mal ehrlich, nach diesen anstrengenden Corona-Zeiten haben wir das MIASIN-Sein wirklich nötig!