Liebe Freunde,
in den letzten Wochen ist uns verstärkt aufgefallen, dass viele Jugendliche am politischen Geschehen in Armenien sehr interessiert sind, aber nicht wissen, wo oder wie sie ohne große Recherchen an Informationen kommen können. Deswegen haben wir beschlossen, alle zwei Wochen ARI News zu veröffentlichen. Es handelt sich hierbei NICHT um Berichterstattung aus erster Hand, es ist selbstverständlich kein Ersatz zu den Nachrichtenmedien. Wir fassen in unseren ARI News lediglich, basierend auf Nachrichtenmeldungen, die politische Situation in Armenien zusammen. Am Ende von jedem ARI-Newsbeitrag geben wir unsere Quellen an. Es geht uns hierbei auch nicht darum, politische Meinungen zu indoktrinieren. Wir sind um eine objektive und sachgerechte Berichterstattung bemüht. Unser Anliegen ist es einfach, euch regelmäßig ein Update darüber zu geben, was unser Armenien in letzter Zeit politisch beschäftigt hat und bewegt.
Euer Team ARI
Die Lage in Armenien bleibt angespannt gegenüber dem amtierenden Premierminister Nikol Pashinyan und Kritiker äußern sich wiederholt skeptisch über seine diplomatischen Fähigkeiten. Ein neuer Auslöser solcher Kritiken waren Verhandlungen, die am Montag, dem 11. Januar 2021, stattgefunden haben. Premierminister Pashinyan sowie der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev trafen sich in Moskau mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu einem ersten Gipfeltreffen seit dem Waffenstillstandsabkommen im November 2020. Bei den Verhandlungen und der abschließenden Vier-Punkte-Vereinbarung ging es insbesondere um den Ausbau der regionalen Infrastruktur. Aufgrund der geschlossenen Grenzen zwischen Armenien und Aserbaidschan sowie Armenien und der Türkei sind viele Verbindungs- und Transportrouten seit Jahrzehnten stillgelegt. Dies soll sich nun ändern.
Die Opposition in Armenien kritisierte das Ergebnis der Verhandlungen und behauptete Pashinyan sei es nicht gelungen, die armenischen Interessen durchzusetzen. Stattdessen habe er Aserbaidschans Wunsch nach neuen Transportwegen zu Nakhichevan nachgegeben. Pashinyans Parteiangehörige widersprechen der Kritik und weisen darauf hin, dass es sich lediglich um ein erstes Gipfeltreffen gehalten habe, weitere Treffen würden noch stattfinden und Gelegenheit bieten, andere ausstehende Punkte zu klären.
Zu diesen ausstehenden Punkten zählt unter der armenischen Bevölkerung die Frage über die Befreiung armenischer Kriegsgefangener als Priorität. Bislang ist noch unklar, wie viele Armenier*innen sich genau in aserbaidschanischer Gefangenschaft befinden. Die Zahlen variieren von ein paar Dutzend bis mehrere hundert. Sie werden von Aserbaidschan als Verhandlungsmittel instrumentalisiert. Organisationen wie Human Rights Watch haben im Dezember 2020 detaillierte Berichte über die Misshandlung armenischer Kriegsgefangener veröffentlicht und strengstens verurteilt. Der Wunsch, diese Menschen zu befreien, ist in Armenien entsprechend groß. Pashinyans Regierung hat diese Woche am 14. Januar nochmal versichert, seine Anstrengungen zu verstärken, Kriegsgefangene zurückzubringen.
Am Donnerstag, dem 14. Januar, traf sich Pashinyan außerdem mit Repräsentanten anderer politischer Parteien, um über die geplanten Parlamentswahlen zu sprechen, die vorgezogen werden sollen. Normalerweise wären vor 2023 keine Parlamentswahlen vorgesehen gewesen. Aufgrund der wachsenden Kritik an Premierminister Pashinyan infolge des Kriegsausgangs hat dieser im Dezember 2020 seine Bereitschaft verkündet, im Jahr 2021 vorgezogene Parlamentswahlen einzuleiten. Dies sei, so Pashinyan, eine bessere Alternative zum politischen Unmut als sein Rücktritt, da somit das Volk selber über die politische Zukunft Armeniens entscheidet. Unter den aufsteigenden Kandidaten der Opposition zählt Vazgen Manukyan, erster Premierminister Armeniens von 1990-1991 und Verteidigungsminister von 1992-1993. Seitdem ist er politisch immer aktiv geblieben.
Berichten zufolge kehrten diese Woche circa 200 Geflüchtete zurück nach Stepanakert, Arzach. Aufgrund des Krieges waren sie nach Yerevan geflüchtet. Auf Führungsebene laufen Treffen zur Sicherheitsfrage der Syunik-Region im Süden Armeniens. Militärische Angriffe in der Vergangenheit sowie Äußerungen von Präsident Aliyev haben die Sorge verstärkt, Syunik könne in Zukunft zu einem weiteren Angriffspunkt werden.
Yeghische Kirakosyan, Repräsentant Armeniens beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, verkündete am Samstag, dem 16. Januar, dass in den letzten Wochen ein ausführlicher Beschwerdebrief über Aserbaidschans Menschenrechtsverstöße vorbereitet worden war und beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingereicht werden soll.
Quellen: EVNReport, ARMENPRESS, Aravot, HAYPRESS, Aysor, news.am